Der Ayurveda nennt drei große Lebensbereiche, die für ein gesundes und glückliches Leben bedeutsam sind. Die drei Säulen des Ayurveda sind: Nahrung – inklusive Entgiftung, Schlaf und Bewusstsein.
Allein daran kann man sehen, wie wichtig Schlaf im Ayurveda für das Befinden eines Menschen angesehen wird. Auch in den Achara Rasayanas, den ayurvedischen Verhaltensempfehlungen, deren Befolgung ein gesundes Leben bis ins hohe Alter verspricht, lautet eine der wichtigen Regeln, sich nicht zu erschöpfen.
Eine weitere grundlegende Ayurveda-Regel besagt außerdem, dass das Unterdrücken natürlicher Bedürfnisse den Körper aus dem Gleichgewicht bringt – auch Schlaf gilt als ein natürliches Bedürfnis! Gibt man den natürlichen Bedürfnissen nicht nach, entstehen Vata-Blockaden in Körper und Geist, die einen gestauten Energiefluss nach sich ziehen und dadurch eine bedeutsame Ursache für entstehende seelische und körperliche Erkrankungen werden.
Die Grundursache des Ungleichgewichts der Doshast ist ein Leben,
das nicht in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen ist …
die Ursache dessen ist der Fehler des Intellekts.
Charaka, Vimanasthan, III,20
Der Ayurveda betont demnach die Ausgewogenheit von Ruhe und Aktivität als einen Grundpfeiler für gute und langwährende Gesundheit.
Guter Schlaf ist für das Wohlbefinden offensichtlich unabdingbar.
Leider reduziert sich die Schlafmenge und -tiefe in den letzten Jahrzehnten rasant.
Eine große deutsche Krankenkasse befragte 2019 zu diesem Thema 9.300 Schüler aus sechs verschiedenen Bundesländern aus den Jahrgangsstufen 5-10. Trauriges Ergebnis dabei: Fast jeder 3. Jugendliche hatte Schlafstörungen. Neunt- und Zehntklässler schliefen im Durchschnitt nur 7 Stunden pro Nacht und damit 2 Stunden weniger als empfohlen, aufgrund der immer stärker um sich greifenden Zeit vor dem Bildschirm. Die Hälfte der Schüler fühlte sich tagsüber erschöpft und klagte über Müdigkeit.
Nicht viel besser sieht es bei den Erwachsenen aus, denn Schlafforscher haben festgestellt, dass Menschen in westlichen Ländern im Durchschnitt etwa eine Stunde weniger schlafen als noch vor 20 Jahren. Sie konnten auch zeigen: Wer zu wenig schläft, leistet tagsüber weniger – und merkt das oft nicht einmal. Denn an zu wenig Schlaf kann man sich gewöhnen. Und trotzdem hat Schlafmangel vielen wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge gravierende Folgen:
Beispielsweise erzeugt der National Highway Traffic Safety Administration zufolge „drowsy driving“ also Autofahren bei Schlafmangel und Müdigkeit, in den USA über 100.000 Autounfälle pro Jahr und über 1500 dadurch bedingte Todesfälle.
Schlaf in der modernen Medizin
Der Suprachiasmatische Nucleus
Unsere biologische Uhr sitzt im Suprachiasmatischen Nucleus (SCN)., der 20.000 Neuronen (Nervenzellen) enthält; er hat die Form eines Tannenzapfens und die Größe eines Reiskorns. Dieses kleine komplexe biologische System antwortet automatisch auf die Veränderungen von Tag und Nacht.
Trifft Licht auf die Augen, wandeln sich die Photonen (Lichtpartikel) in elektrische Impulse um, die den Sehnerv bis zum SCN entlangwandern. Der SCN stimuliert seinerseits verschiedene Hirnregionen, inklusive der Zirbeldrüse, die die Produktion des schlaffördernden Melatonins herunterreguliert. Gleichzeitig regiert der SCN Körpertemperatur, Hormonausschüttung, Urinproduktion und Blutdruck und über das Rückenmark alle Organfunktionen.
Wenn es dunkel wird, sorgt der SCN dafür, dass der Melatonin-Spiegel ansteigt und man wird müde.
Gehirnwellen und Muskelbewegungen
Die moderne Medizin unterscheidet anhand unterschiedlicher biologischer Funktionen verschiedene Schlafstadien zunehmender Tiefe: Stadium 1, Stadium 2, Tiefschlaf und REM-Schlaf, derjenige Schlaf, der mit schnellen Augenbewegungen einhergeht und Traumaktivitäten anzeigt. Diese Schlafphasen werden anhand verschiedener elektrischer Aktivitäten im Körper unterschieden, nämlich durch das Elektroenzephalogramm (EEG = Messung der Gehirnwellen), Elektromyogramm (EMG = Messung von Muskelaktivität), sowie dem Elektrooculogramm (EOG = Messung der Augenbewegungen). Durch die Ermittlung dieser Daten fanden Forscher heraus, dass der Mensch verschiedene Schlafphasen von je 90 Minuten Dauer hat. Dabei wechseln Phasen von REM-Traum-Schlaf mit traumlosen Phasen ab. Beginnt man – wie es der Ayurveda empfiehlt – zwischen 22 Uhr, spätestens 22:30 Uhr, mit dem Nachtschlaf, so gelangt der Körper über Stadium 1 und 2 in den Tiefschlaf, in den Schlaf mit der größten körperlichen Entspannung und Regeneration und damit verbunden dem höchsten Erholungspotenzial.
Interessanterweise findet zwischen 23 Uhr und 3 Uhr vorwiegend Nicht-REM-Schlaf statt, also Tiefschlaf ohne Traumphasen, eine Schlaftiefe, die nach 3 Uhr nie wieder erreicht wird. Denn ab 3 Uhr bis 7 Uhr wechselt sich REM-Schlaf nur noch mit flacheren Schlafstadien ohne Traumaktivität ab und zwar ganz gleich, wann man ins Bett geht!
Daher hat die ayurvedische Empfehlung der idealen Schlafenszeit eine biologische Entsprechung: Wollen Sie wirklich ausgeschlafen und am nächsten Morgen erholt sein, gehen Sie bitte frühzeitig ins Bett!
Schlafdauer – wissenschaftlich betrachtet
Bei 7-8 Stunden Nachtschlaf Wird das Stresshormon Cortisol abgebaut. Gleichzeitig wird das Wachstumshormon Somatotropin ausgeschüttet, unser stärkstes Stress-ausgleichende Hormon, welches die Zellerneuerung beschleunigt und die Regeneration unserer Haut bewirkt.
Mehrere Wochen ohne ausreichende Tiefschlafphasen bewirken demzufolge, dass die Haut dünner wird und sich feine Linien und Fältchen bilden.
Bei unzureichendem Nachtschlaf wird das Stresshormon Cortisol vermehrt gebildet, was zu einem erhöhten Stressempfinden während des Tages führt, mit Ängsten und Reizbarkeit. Parallel dazu baut sich das Strukturprotein Kollagen ab, was eine Schwächung des Bindegewebes nach sich zieht. Die Haut produziert mehr Fett, was zu verstopften Poren führt sowie dadurch bedingte Entzündungen der Haut.
Zu später/ zu wenig Schlaf führt zu:
- Schlafstörungen (schwerer Einschlafen und schlechter Durchschlafen)
- Ängsten
- Verminderter Regeneration des Gehirns
- Veränderung der Aktivität der Gene
- Reduzierter Arbeitseffizienz, -produktivität, Fehlern, Unfällen, Fahruntüchtigkeit (bei weniger als 7h)
- Verschlechterung des Immunsystems (Entzündungsmarker erhöhen sich, dadurch Schmerzen im ganzen Körper, Osteoporose und Autoimmunerkrankungen (bei weniger als 6h)
- Dreifach erhöhte Herzinfarkt- und Schlaganfallrate (weniger als 5h)
- Häufigeres Auftreten von Brustkrebs (bei 6h im Vergleich zu 7 Std. Schlaf)
- Übergewicht korreliert mit zu wenig Nachtschlaf (hormonell gesteigerter Appetit)
Schlafmangel führt zu Störungen der Doshas
Betrachten wir die durch Schlafmangel hervorgerufenen Dosha-Störungen, differenziert der Ayurveda diese Zusammenhänge noch genauer:
VATA-Störungen
- Abgeschlagenheit
- Erschöpfungsgefühl
- Schwäche
- Unruhe, Nervosität
- Sorgen, Kummer, Gedankenflut
- Leistungs- und Konzentrationsschwäche
- ständiges Frieren
- erhöhte Schmerzempfindlichkeit und
- depressive Verstimmungen
PITTA-Störungen
- Ungeduld
- Gereiztheit
- Aggressivität
KAPHA-Störungen
- Dumpfheit
- Schwere
- Trägheit
Freuen Sie sich auf unseren nächsten Newsletter mit den Ayurveda-Empfehlungen für einen guten, tiefen und erholsamen Schlaf, Teil II.
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