Mit dem Wort Yoga verbinden die meisten westlichen Menschen vor allem Körper-Übungen, die sogenannten Asanas, und haben vielleicht Bilder im Kopf von Menschen, die im Lotussitz sitzen oder sich in andere ungewohnte Posen begeben.
Yoga kann auf verschiedene Weise übersetzt werden, es bedeutet aber in erster Linie Einheit und Stille mit dem Ziel in Verbindung zu sich selbst zu kommen. Diese Verbindung wird nicht nur durch die Bewegung des Körpers erreicht, sondern besonders auch geprägt durch das Verhalten im Alltag. Die Urform des Yoga findet sich im Ashtanga, aus dem sich zahlreiche weitere Yoga-Zweige abgeleitet haben und bis heute auch immer wieder neue – mehr oder weniger sinnvolle – entstehen. Ashtanga bedeutet Acht und beschreibt den achtfachen Weg des Yoga. Dieser Weg beinhaltet verschiedene essentielle Punkte, die beispielsweise das soziale und ethische Verhalten, die Stärkung des Körpers durch Asanas, Meditation und auch Atemübungen (Pranayama) beschreiben. Über all diese Disziplinen (Tapas) soll die größtmögliche Einheit mit allem was uns umgibt, mit allem was ist, erreicht werden.
Auch im Ayurveda findet sich die Zahl Acht innerhalb der acht wichtigsten, beschriebenen Behandlungspfade wieder. Diese bestehen aus Chirurgie, Pädiatrie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Allgemeinmedizin, Psychiatrie, Toxikologie, sowie verschiedenen Rasayanas, den verjüngenden Therapien und wurden bereits vor Jahrtausenden in der Charaka Samhita detailreich beschrieben.
Yoga ist somit der Weg zur Selbsterkenntnis und -vervollkommnung, während Ayurveda der Weg der Selbstheilung ist. Beide zusammengeführt helfen uns unser gesamtes Potenzial auszuschöpfen und das Leben als das Wunder zu begreifen und zu erfahren, das es ist.
Wofür steht der Sonnengruß?
Der Name Surya Namaskar kommt aus dem Sanskrit und setzt sich zusammen aus dem Wort Surya, welches Sonne bedeutet und Namaskar, was für den Gruß steht. Der Gruß an die Sonne drückt somit Dankbarkeit gegenüber all dem aus, was uns von der Sonne geschenkt wird. Traditionell wird nach Osten ausgerichtet zur aufgehenden Sonne hin geübt. Der immer gleiche Bewegungsablauf des Sonnengrußes symbolisiert hierbei den Verlauf der Sonne innerhalb eines Tages. Die Abfolge ist dynamisch und eher zügig und eignet sich am Morgen perfekt, um den Körper aufzuwecken und das Verdauungsfeuer Agni anzuregen. Geübt werden dabei 12 Asanas in fließender Form. Anders als im heutigen Indien häufig üblich, empfiehlt der Maharishi Ayurveda die Positionen ruhig und gleichmäßig auszuführen und die einzelnen Stellungen mindestens 5 sec. zu halten, damit sich bei der Ausführung Stille einstellen und vertiefen kann.
Der Sonnengruß kann sooft hintereinander geübt werden, wie man möchte. Es empfiehlt sich mindestens 5 Runden auszuführen, um wirklich warm zu werden und die Atmung sanft zu vertiefen.
In Indien und überall auf der Welt werden von Yogis zu besonderen Anlässen, wie der Beginn des neuen Jahres, 108 Sonnengrüße geübt, denn die Zahl 108 hat eine heilige Bedeutung. Bereits die Upanishaden, einem Teil der klassischen vedischen Texte, bestehen aus 108 einzelnen Texten. Die Zahl 108 findet sich darüber hinaus an zahlreichen anderen Stellen wieder, wie beispielsweise in der vedischen Astrologie (Jyotish) oder in der Marma-Therapie.
Was bewirkt der Sonnengruß?
Der Sonnengruß wärmt den ganzen Körper auf, dehnt die Körpervorder- und rückseite, Arme und Beine, und sorgt für einen tiefen Atemstrom. Er mobilisiert die Gelenke und regt die Verdauungskraft an. Somit ist Surya Namaskar eine Übung, die die Sonnenenergie in uns aktiviert. Denn aktivierende Energie findet sich ebenso in uns, in der Körpermitte, im Solarplexus wieder. Diese Energie wird benötigt, um den Tag aktiv zu gestalten und in die Schöpferkraft zu kommen.
Im Yoga spielen die Koordination und das Zusammenführen von Atmung und Bewegung eine sehr große Rolle. Das bewusste Lenken der Atmung in Synchronisation zu den Asanas vertieft den Effekt und stellt gleichzeitig eine gute Konzentrationsübung dar. Wer darin bereits geübt ist, kann zusätzlich den Blick Drishti bewusst auf einen Punkt lenken.
Die Wirkungen des Sonnengrußes auf einen Blick
- Dehnung und Kräftigung der gesamten Muskulatur
- Aufwärmen des Körpers und Aktivierung des Kreislaufs
- Lockern von Rücken- und Schulterverspannungen
- Aktivierung der eigenen Energieressourcen
- Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems
- Ausdehnung der Lunge und Erhöhung des Atemvolumens
- Aktivierung des Verdauungsfeuers und Abbau von Ama
- Stärkung von Konzentration und Fokus
- Harmonisierung von Körper und Geist
Nach einer Runde Sonnengrüße tritt ein angenehm vitales Gefühl im Körper ein. Sie fühlen sich gestärkt und spüren durch Herzschlag und Atmung, wie lebendig Sie sind.
Die besten Tipps zur Durchführung
Im Maharishi Ayurveda ist alles darauf ausgelegt, mit möglichst wenig Anstrengung zum Ziel zu kommen und sich nicht unnötig zu verausgaben.
Beim Yoga geht es also nicht darum, möglichst tief in eine Asana zu sinken und die eigenen Grenzen zu überschreiten, sondern nur so weit zu gehen, wie es für den eigenen Körper angenehm ist. Mit dieser Grundhaltung schützen Sie sich vor Verletzungen und Zerrungen. Mit der Zeit nimmt Kraft und Flexibilität durch regelmäßiges Üben von ganz allein zu.
- Am besten übt es sich auf leeren Magen, also zum Beispiel morgens vor dem Frühstück. Wer nur abends Zeit dafür findet, sollte zwei Stunden Abstand nach dem Essen lassen.
- Tragen Sie bequeme Kleidung, Sie können barfuß oder mit Antirutsch-Socken auf einer Yogamatte üben.
- Zwingen Sie sich nie in eine Position durch Ziehen oder Nachfedern. Besonders am Morgen sind Gelenke und Faszien noch recht steif und sollten daher nicht überstrapaziert werden. Häufig lässt sich in den warmen Monaten eine bessere Beweglichkeit beobachten, als im Winter. Wärme ist ein wichtiger Faktor, wenn es um die Dehnbarkeit der Faszien geht.
- Nutzen Sie bei Bedarf Hilfsmittel wie Blöcke oder dicke Bücher unter den Händen, um Haltungen wie die Vorwärtsbeuge zu unterstützen.
Dafür können die Blöcke einfach an den Anfang der Matte bereit gelegt werden. - Üben Sie regelmäßig und machen Sie daraus eine Routine, zum Beispiel jeden Tag oder jeden zweiten Tag, dann werden Sie sehr schnell Fortschritte beobachten können und relativ schnell deutlich flexibler werden.
- Finden Sie Ihr eigenes Tempo und Ihren eigenen Atemrhythmus. Üben sie langsam und ruhig, in dem Sie in jeder Haltung 5 Sekunden oder mehr verweilen. Versuchen Sie so gut wie möglich, das Ein- und Ausatmen mit den Bewegungen zu verbinden. Nach kurzer Zeit wird sich der richtige Atemrhythmus ganz von selbst einstellen. Wenn Sie anfangen zu schnaufen, haben Sie sich überanstrengt: Drosseln Sie das Tempo, so dass der Atem tief und gleichmäßig fließen kann.
- Wer bereits geübt ist, kann durch einen fokussierten Blick Drishti und den Einsatz von Mula Bandha, also dem aktiven Anspannen der Beckenbodenmuskulatur, zusätzlich Elemente der Konzentration und Stärkung mit einbringen.
Ablauf eines Surya Namaskar
- Tadasana – Berghaltung: Legen Sie die Hände vor der Brust aneinander und atmen Sie entspannt aus.
- Urdhva Hastasana – Bergstellung mit gestreckten Armen: Atmen Sie ein, führen Sie dieHände über den Kopf und beugen sich leicht zurück.
- Uttanasana – ganze Vorbeuge: Atmen Sie aus, beugen Sie den Oberkörper nach vorn und legen Sie die Hände auf dem Boden oder- auf Hilfsmitteln ab.
- Atmen Sie aus und strecken das rechte Bein nach hinten in den Ausfallschritt.
- Atmen Sie ein und strecken Sie nun auch das linke Bein, sodass Sie in der Brettposition an kommen.
- Ashtangasana: Mit der Ausatmung Knie, Brust und Stirn zum Boden sinken lassen.
- Bhujangasana – Kobra: Mit der Einatmung heben Sie den Kopf und den Oberkörper durch Abdrücken mit den Armen leicht an, der Nacken sollte dabei nicht überstreckt werden.
- Adho Mukha Svanasana – Herabschauender Hund: Mit der Ausatmung heben Sie das Becken in den herabschauenden Hund. Die Arme sind komplett durchgestreckt und der Rücken lang. Es kann sehr angenehm sein ein paar Atemzüge hier zu verbringen und die intensive Dehnung zu spüren.
- Mit der Einatmung wird das rechte Bein nach vorn bewegt zurück in den Ausfallschritt.
- Uttanasana – ganze Vorbeuge: Atmen Sie aus und stellen den linken Fuß neben den rechten. Der Oberkörper bleibt tief, sodass Sie wieder in der ganzen Vorwärtsbeuge ankommen.
- Urdhva Hastasana – Bergstellung mit gestreckten Armen: Mit der Einatmung heben Sie den Oberkörper und beugen sich, wie zu Beginn, leicht zurück.
- Tadasana – Berghaltung: Legen Sie die Hände vor dem Herzen ab in der stehenden Berghaltung und atmen Sie tief aus.
Viel Freude und Erfolg beim Üben wünscht Ihnen
das Maharishi Ayurveda Team!
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© Maharishi Ayurveda Privatklinik Bad Ems
Ich habe Surya Namaskar nie besonders gemocht und es fiel mir jetzt zum 1. Mal auf, dass ja alle Übungen mit asana enden und ich würde gerne auch die Bedeutungen von Tad,Urdhva, Uttan usw. erfahren wollen.
Ich bin jetzt 78 Jahre alt und habe sehr lange nicht mehr Surya Namaskar gemacht. Ich werde es morgen Früh gleich mal wieder anfangen. Vielen Dank für diese Anregungen!!
Liebe Frau Andrelang,
das freut mich sehr, dass Sie mit 78 Jahren wieder loslegen wollen, zu mehr Geschmeidigkeit und Lebendigkeit. Starten Sie langsam und möglichst täglich, dann spüren Sie jede Woche, wie Sie (noch) beweglicher werden und sich ein noch besseres Lebensgefühl einstellt.
Ich wünsche von Herzen viel Erfolg und Freude dabei…
Ihre
Dr. Karina Pirc
Guten Tag, vielen Dank für die nützlichen Infos, ich lese sehr gerne den Newsletter. Seit vielen Jahren
praktiziere ich schon Yoga, bin jetzt 74 und es tut mir sehr gut. Haben Sie Erfahrungen bei Patienten Z.B.
mit neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, ob und wie Yoga sich auf den Verlauf auswirkt??
Freundliche Grüße
Liebe Hanna,
da muss ich leider passen. Ich weiß, dass viele Parkinson-Patienten von Tischtennis profitieren (sollen), aber soweit mir bekannt ist, gibt es noch keine Studie darüber. Da Yoga aber bei vielen Störungen äußerst positiv und ausgleichend wirkt, würde ich es auch Parkinson Patienten vorbehaltslos empfehlen. Es kann es sicher nicht heilen, aber die allgemeine Beweglichkeit und Koordination verbessern.
Lieben Gruß
Dr. Karin Pirc
Ärztin & Diplom-Psychologin