Süß und ungesund?

Die Rolle von Süßem im Ayurveda Teil I

Süßes Essen hat im Ayurveda einen besonderen Platz, da es zu den sechs grundlegenden Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb gehört. Enthält eine Speise alle 6 Geschmacksrichtungen (Rasas), gilt sie als sehr nahrhaft, sättigend und befriedigend.

Süßes wird als angenehm, aufbauend und beruhigend empfunden und entsteht durch das Vorhandensein der Elemente Erde und Wasser. Damit hat Süßes schwere, kühlende und ölige Qualitäten und wird langsamer verdaut als beispielsweise bittere oder herbe Nahrungsmittel.

Süß bedeutet im Sanskrit madhura, was mit angenehm, schön und süß übersetzt werden kann. Aufgrund der eher schweren Eigenschaften von Süßem beruhigt es Vata und Pitta, wohingegen Kapha durch Süß vermehrt wird. Dies liegt an den ähnlichen Qualitäten von Süß und Kapha, denn im Ayurveda gilt: Gleiches vermehrt Gleiches. Somit werden Ungleichgewichte mit gegenüberliegenden Eigenschaften ausgeglichen; meist intuitiv gesteuert durch unsere Körperintelligenz. Beispielsweise steigt am Nachmittag das Vata-Dosha, häufig entsteht dann ganz natürlich ein Heißhunger auf Süßes, der dann oft ohne großes Nachdenken mit einer kleinen Leckerei gestillt wird. Nicht umsonst gibt es das beliebte Kaffee und Kuchen am Nachmittag.

Süßes hilft dabei, die Gewebe (Dhatus) aufzubauen und den Körper zu stärken sowie den Aufbau von Vitalkraft, im Sanskrit Ojas genannt, zu fördern. Menschen, die entkräftet und in entleerten Zuständen sind oder einfach in Phasen mit viel Stress, gelüstet es oft nach süßen, warmen Speisen. Auch mit zunehmendem Alter, die Lebenszeit, in der bei allen Menschen das Vata-Dosha deutlich zunimmt, wird das Verlangen nach Süßem tendenziell größer. Denn neben dem Gewebeaufbau wird auch das Nervensystem beruhigt und geerdet.

Wo Sie Süßes in Lebensmitteln finden

Mit der Geschmacksrichtung Süß assoziieren wir oft erstmal klassischen Zucker. Doch süß schmecken und wirken viele weitere Nahrungsmittel.

Zu Lebensmitteln mit einem natürlichen süßen Geschmack gehören beispielsweise:

  • Reife Früchte wie Bananen, Mangos, Trauben, Birnen und Äpfel.
  • Von Natur aus süße Gemüsesorten wie Karotten und Süßkartoffeln.
  • Vollkorngetreide wie Weizen, Gerste und Reis.
  • Manche Hülsenfrüchte, wie Linsen und Bohnen.
  • Milchprodukte wie Milch und Ghee (geklärte Butter).
  • Natürliche Süßungsmittel wie Honig und Ahornsirup.

Bei manchen Nahrungsmitteln liegt der süße Geschmack auf der Hand, wie bei Früchten, Trockenfrüchten und Honig. Bei anderen Produkten ist süß nicht das erste Stichwort, das einem einfällt, denn der Zucker ist in Kohlenhydratketten gebunden und wird erst bei der Verdauung freigesetzt. 

Wer sich die Zeit nimmt, ausreichend zu kauen, wird bemerken, dass zum Beispiel Reis, Nudeln oder Karotten dadurch zunehmend süßer schmecken. Die unter anderem im Speichel vorkommende Amylase ist ein Verdauungsenzym, das nicht nur große Zuckermoleküle in kleinere Einheiten zerlegt, sondern auch aus der Stärke von Getreiden Zuckermoleküle freisetzt, die dann von uns als süß wahrgenommen werden.

Letztendlich sind in fast allen Lebensmitteln Kohlenhydrate enthalten, die im Körper zu Einfachzucker aufgespalten werden. Glucose ist eine sehr leicht zu gewinnende Energiequelle, die über den Darm in das Blut gelangt und alle Organe und das Gehirn mit wertvoller Energie versorgt. 

Kohlenhydrate gehören neben Fetten und Proteinen zu den Makronährstoffen und haben ihren festen Platz in der täglichen Versorgung des Organismus. 

Wenn Zucker schädlich wird

Zucker wird seit der Antike verwendet und war früher nur für sehr reiche Haushalte zugänglich. Seit dem 20. Jahrhundert wird Zucker jedoch in der Lebensmittelindustrie im großen Stil als günstiges Süßungsmittel und als Geschmacksverstärker eingesetzt. 

Zuckerhaltige Lebensmittel stimulieren das Belohnungszentrum im Gehirn, das dann den Neurotransmitter Dopamin freisetzt, der Gefühle von Freude und Glück erzeugt. Diese gute Erfahrung wird bereits in frühester Kindheit abgespeichert, sodass sich viele Menschen mit Süßigkeiten für Anstrengungen belohnen und eine Sucht nach Zucker entstehen kann. 

Jeder Zuckerkonsum sorgt für eine Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse, das dafür sorgt, dass der Zucker aus dem Blut in die Zellen gelangt. Zunächst führt der Verzehr zuckerhaltiger Lebensmittel jedoch zu einem schnellen Anstieg des Blutzuckerspiegels, gefolgt von einem schnellen Abfall durch das Insulin, wodurch ein Kreislauf von Heißhungerattacken gepaart mit Erschöpfung und Müdigkeit entstehen kann. Wer zu viel Zucker zu sich nimmt, kann sich oft schlechter konzentrieren, leidet unter Stimmungsschwankungen und ebnet den Weg für neurodegenerative Erkrankungen, wie der Alzheimer-Krankheit, die ebenfalls mit zu großen Blutzuckerschwankungen zusammenhängt. 

Ein hoher Zuckerkonsum über lange Zeit fördert Entzündungen durch Übersäuerung im Körper, Gewichtszunahme, Diabetes, einen gestörten Fettstoffwechsel, Lebererkrankungen, Karies und Milieustörungen im Darm, wie beispielsweise Pilzbesiedelungen. Im Ayurveda gelten diese Erkrankungen alle als Manifestationen von Ama (Stoffwechselendprodukte, Toxine), aufgrund einer ungünstigen Lebensweise, zu der an erster Stelle die Fehlernährung zählt.

Zucker ist in vielen Produkten versteckt, in denen wir das im ersten Moment gar nicht erwarten würden, wie beispielsweise Ketchup, Dressings, Saucen, Joghurt und Fertiggerichte. Erst der Blick auf das Etikett gibt Auskunft über den Zuckergehalt, der oft erschreckend hoch ist. Und das ist kein Wunder, da Zucker positive Gefühle in uns auslöst und dafür sorgt, dass wir mehr von den Produkten konsumieren wollen. Denn neben Fett und Salz aktiviert er das Belohnungssystem und sorgt für hohe Umsätze in der Lebensmittelindustrie. 

Doch nicht immer lässt sich Zucker auf den ersten Blick erkennen, denn er versteckt sich hinter Bezeichnungen wie Saccharose, Maltose, Dextrose, Malzextrakt oder HFCS (High Fructose Corn Syrup = Maissirup).

Die Krux mit künstlichen Süßstoffen

Industrieller Zucker ist über die letzten Jahrzehnte zunehmend in Verruf geraten, sodass immer neue Zuckeraustauschstoffe auf den Markt kommen.

Dazu zählen Erythrit und Xylit, aber auch Stevia, Sorbitol oder Aspartam.

Besonders Aspartam, oder auch NutraSweet oder Canderel genannt, ist ein in den 60ern zufällig entdeckter Süßstoff, der bis Mitte der 70er als biochemischer Kampfstoff gelistet wurde. Nach Zulassung von Aspartam als Lebensmittelzusatzstoff durch die FDA (Food and Drug Administration) in den USA wird es inzwischen weltweit in Nahrungsmitteln, Getränken und Kaugummis verwendet. Aspartam ist damit das am häufigsten verwendete künstliche Süßungsmittel. Im Tierversuch ist die krebserzeugende Wirkung schon lange nachgewiesen, doch nun werden über die letzten Jahre auch Stimmen laut, dass Aspartam sich ungünstig auf die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm, dem Mikrobiom, auswirkt.

Untersuchungen zeigten, dass der Verzehr künstlicher Süßstoffe nicht nur zu einer Veränderung des Mikrobioms, sondern auch zu einer Verschlechterung des Glukosestoffwechsels im menschlichen Körper führt. Bei regelmäßiger Einnahme von Süßstoffen, wie Aspartam, Saccharin oder Sucralose steigt der Blutzuckerspiegel höher, der Zucker gelangt schneller ins Blut und die Glucosetoleranz sinkt. Grund hierfür kann die Veränderung am Mikrobiom sein, die somit zu einer veränderten Verarbeitung der Nahrung führt. 

Bei Aspartam konnte darüber hinaus nachgewiesen werden, dass die in Aspartam enthaltene Aminosäure Phenylalanin das Enzym intestinale alkalische Phosphatase (IAP) blockiert, welches maßgeblich an einer gesunden Darmbarriere und an Immunmodulation beteiligt ist. Wird dieses Enzym gehemmt, steigen Körpergewicht, Blutdruck und Stoffwechselstörungen an, was im medizinischen Sprachgebrauch als metabolisches Syndrom bezeichnet wird und die Lebensdauer deutlich verkürzt.

Süß genießen mit Ayurveda

Wie oben beschrieben hat die Geschmacksrichtung Süß aus ayurvedischer Perspektive viele gute Qualitäten. Doch auch der Ayurveda warnt bei übermäßigem Genuss vor zahlreichen Erkrankungen. Besonders das Kapha-Dosha ist betroffen, was wir beispielsweise anhand von Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen, Diabetes, Verschleimung, Darmstörungen und allgemeiner Trägheit beobachten können.

Im Ayurveda wird empfohlen, die natürliche Süße in Lebensmitteln wie reifen Früchten, Honig, Datteln oder Ahornsirup zu nutzen, anstatt raffinierten Zucker oder künstliche Süßstoffe zu verwenden.

Natürliche Süßungsmittel werden als gesünder angesehen, da sie zusätzliche Nährstoffe und Mineralien enthalten und der Zucker in dieser Kombination oft leichter vom Körper verarbeitet werden kann. Ebenso ist es sinnvoll, Süßes in Kombination mit anderen Geschmacksrichtungen zu konsumieren, um eine ausgewogene Mahlzeit zu erhalten. Im Ayurveda wird empfohlen, alle 6 Geschmacksrichtungen in jeder Mahlzeit zu integrieren, um die Doshas auszugleichen, eine gute Verdauung zu fördern und der Entstehung von Ama vorzubeugen. Süßspeisen werden im Ayurveda traditionell vor der Hauptmahlzeit genossen, da sie mit ihrem Zuckergehalt die Verdauungskraft Agni anregen und eher schwer verdaulich sind, ganz nach dem Prinzip: Zuerst das Schwerverdauliche, gefolgt von leichter verdaulichen Komponenten. 

Denn Süßes in Maßen gilt im Ayurveda als Nektar, im Übermaß jedoch als Gift. Als Faustregel gilt: Nie mehr als maximal 3 Teelöffel Süße täglich. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht viel, bei genauerer Betrachtung, wenn man den versteckten Zucker unserer Nahrung genau unter die Lupe nimmt, ist das tatsächlich vergleichsweise wenig: Ein 200ml-Glas Cola enthält 7 Stück Würfelzucker, 100 ml Ketchup sogar 8 Stück!

Erfahren Sie im zweiten Teil, wie Sie (künstliche) Zuckerfallen erkennen und vermeiden können und was gesunde Alternativen sein können.

Hier können Sie den Artikel als PDF herunterladen.

© Maharishi Ayurveda Privatklinik Bad Ems

Kommentare

  • Vielen Dank für den hervorragenden Artikel bzw. Beitrag, entspricht m. E. sowohl der offiziellen Wiissenschaft (Dr. Michael Greger) als auch bspw. Williams, Anthony.

    Herzliche Grüße
    Dr. Martin Trost

    • Lieber Herr Dr. Trost,
      vielen Dank für Ihre positive Rückmeldung – es macht uns selber Freude, den Ayurveda mit der modernen Wissenschaft in Einklang zu bringen, wo immer möglich. Wir wissen aus Erfahrung, dass die ayurvedischen Empfehlungen enorm wirkungsvoll sind, aber unsere westlichen Patienten und auch wir Ärzte freuen uns natürlich immer, wenn es auch westlich untermauert werden kann.

      Lieben Gruß
      Dr. Karin Pirc

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert