Die erstaunliche Pflanzenheilkunde des Ayurveda

„Die Essenz aller Dinge ist die Erde. Die Essenz der Erde ist das Wasser. Die Essenz des Wassers sind Pflanzen. Die Essenz der Pflanzen ist der Mensch.“

Aus den Upanishaden
„Chandogya Upanishad 1.1.2“

 

Wenn Sie sich bereits ein wenig mit Ayurveda beschäftigt haben, sind Ihnen sicherlich bereits die drei Doshas Vata, Pitta und Kapha begegnet, auf deren Grundlage Empfehlungen zu Lebensstil, Ernährung und Tagesablauf basieren.
Die individuelle Konstitution, die ein jeder von uns besitzt, steht zum Zeitpunkt der Geburt fest und bildet die Grundlage für das ganze weitere Leben. Dieser Urzustand wird als Prakriti bezeichnet und kann – was selten ist – vorwiegend aus einem Dosha bestehen. Wesentlich häufiger sind jedoch Mischungen mehrerer Doshas, wie beispielsweise Menschen mit Vata-Pitta-Konstitution. Es können also verschiedene Kombinationen und Variationen auftreten, die sich anhand von körperlichen und geistigen Merkmalen sowie durch die Pulsdiagnose feststellen lassen.
Neben dem Prakriti, also dem natürlichen Zustand, wird die Abweichung davon als Vikriti bezeichnet. Ein Abweichen tritt dann auf, wenn sich der Körper nicht in Balance befindet und sich zunächst Störungen und wenn diese nicht ausgeglichen werden, später Krankheiten einstellen. Die ayurvedische Heilkunst zielt darauf ab, Ungleichgewichte auszugleichen und zurück zum Prakriti zu führen.

 

Die drei Doshas in der Pflanzenwelt

Vata besteht aus den Elementen Äther und Luft und hat kalte, raue, bewegliche und trockene Eigenschaften. Menschen mit hohem Vata-Anteil sind oft sehr schlank und feingliedrig. Der Körper neigt eher zu Trockenheit, was sich an der Haut, an knackenden Gelenken und auch an einem trägen Darm bemerkbar machen kann. Geistig herrscht oft Aktivität, Kreativität und Wachheit vor. Wendet man die gleichen Kriterien für die Pflanzenwelt an, sind Vata-Pflanzen meist mit wenig Blättern ausgestattet, haben eine eher raue Rinde, einen knorrigen Wuchs und wenig Saft, wie beispielsweise Spitzwegerich und Baldrian.

 

 

Pitta hingegen entsteht aus den Elementen Feuer und Wasser und ist gekennzeichnet durch Schärfe, Wärme und Klarheit. Menschen mit viel Pitta in der Konstitution haben eine mittelmäßig muskulöse Statur, einen gesunden Hautteint, der eher zu Rötungen neigt, einen gesegneten Appetit und eine sehr gute Auffassungsgabe. Die Haare sind eher seidig, hell oder rötlich. Entsprechend weisen Pitta-Pflanzen oft helle oder rote Blüten und Farben auf, haben mehr Saft, der oft brennend oder giftig sein kann. Als typische Pflanzen wären hier die Brennnessel und der Löwenzahn zu nennen.

 

 

Kapha wird durch die Elemente Wasser und Erde gebildet und hat somit eine dichte Struktur, ist eher kühl, viskös und unbeweglich. Typen mit vorherrschendem Kapha haben oft einen stabilen Körperbau, bei dem Sehnen, Venen und Gelenke kaum hervortreten. Die Haut ist eher hell, das Haar kräftig und die Augen groß und wohlgeformt. Geistig herrschen in Balance ruhige und liebevolle Eigenschaften vor.
Diese Eigenschaften der Fülle finden sich auch bei Kapha-Pflanzen wieder, die durch üppiges Wachstum, dichte Blätter und hohen Wasseranteil gekennzeichnet sind, wie sie bei Borretsch oder Basilikum zu finden sind.

 

Das Feuer Agni in Bezug auf Pflanzen

Das Verdauungsfeuer Agni ist eines der zentralen Themen im Ayurveda und essentiell, wenn es um die Gesundheit des Körpers geht. Agni steht für das Feuer des Stoffwechsels und auch das kreative Feuer in uns. Dieses Feuer sorgt dafür, dass wir Nahrung aufspalten und allen Geweben zukommen lassen können. Wenn Agni schwach ist, ist die Verdauung träge und es bilden sich Stoffwechselrückstände (Ama), die zu Krankheiten führen können.

Agni ist nicht nur im Menschen zu finden, sondern in der ganzen Natur allgegenwärtig. Das Agni der Pflanzen ist die Fotosynthese, die aus Licht Leben erschafft. Heilpflanzen können durch ihr Agni ihre Verdauungskraft auf uns übertragen, wodurch wir unser eigenes Agni stärken und Nahrung besser vertragen können, die sonst eher schwer verdaulich ist. Daher bringt die Natur beispielsweise im Frühjahr Pflanzen mit vielen Bitterstoffen hervor, wie Löwenzahn, Brennnessel oder Mariendistel.
Besonders nach einem langen Winter, der sich häufig durch einen Kapha-Überschuss und erhöhter Infektanfälligkeit bemerkbar macht, helfen genau diese Bitterstoffe, um die Schwere aus dem Körper zu vertreiben.

Leider wurden über die letzten Jahrzehnte Bitterstoffe systematisch aus der Nahrung herausgezüchtet, da sie einen appetitzügelnden Effekt haben und uns weniger konsumieren lassen. Viele Menschen sind Bitterstoffe daher oft nicht mehr gewöhnt und können mit dem intensiven Geschmack schwer umgehen. Dabei wirken sie äußerst reinigend und tragen dazu bei, ausreichend Verdauungssäfte zu bilden.

Ebenso Agni-stärkend wirken beispielsweise auch Ingwer oder Pfeffer, die durch ihre erhitzenden Eigenschaften im Ayurveda zur Anregung des Verdauungsfeuers eingesetzt werden, wie beispielsweise beim Trikatu. Dieses ist ein Pulver aus schwarzem Pfeffer, langem Pfeffer und gemahlenem Ingwer, welches gemischt mit etwas Honig gern vor Mahlzeiten eingenommen wird, um das körpereigene Agni zu erhöhen.

Einheimische Heilpflanzen aus der Sicht des Ayurveda

Eine sehr bekannte Pflanze, die in den meisten Kräutertöpfen in deutschen Haushalten zu finden ist, ist der Basilikum. Es gibt viele verschiedene Basilikum-Arten, von denen die bekannteste (Ocimum basilicum) auch in Europa kultiviert wird.
Aus ayurvedischer Sicht wirkt dieses Basilikum scharf und erhitzend und reduziert Kapha und Vata Dosha. Bei übermäßigem Gebrauch wird Pitta Dosha erhöht.

Basilikum hat harntreibende und fiebersenkende Eigenschaften und findet daher oft Verwendung bei Erkältungen, grippalen Infekten und Lungenbeschwerden. Es beseitigt überschüssiges Kapha Dosha aus dem Atemtrakt und stärkt das Nervensystem durch Beruhigung von Vata Dosha. Gleichzeitig wirkt Basilikum entzündungshemmend und wird daher gern bei Magenbeschwerden oder Zahnfleischentzündungen eingesetzt.

In Indien zählt eine besondere Art des Basilikum (Ocimum tenuiflorum; Sanskrit: Tulsi) zu den heiligsten Pflanzen und hat laut Ayurveda sattvische (reine, freudvolle) Eigenschaften.
Besonders bekannt ist das indische Basilikum für seine stresslindernden Eigenschaften; er wird zur Verbesserung der Gedächtnisfunktion oft als Tee genossen. Hierfür wird 1 Teelöffel Tulsi-Kraut mit 200ml kochendem Wasser übergossen und für 6-10 Minuten ziehen gelassen.

Eine weitere sehr verbreitete Pflanze ist die Himbeere, die eine wirkungsvolle Anti-Pitta-Heilpflanze ist und besonders ausgleichend auf den weiblichen Unterleib wirkt. Genutzt werden in der Regel die Himbeerblätter, die tonisierend auf die Beckenbodenmuskulatur wirken, antientzündlich sind und die Schleimhäute regenerieren. Durch ihre adstringierende Komponente helfen sie ebenso gut bei Sodbrennen, Übelkeit und Durchfall, besonders bei Kindern.

 

 

Bei Menstruationsbeschwerden können Himbeerblätter mit Rosen- und Hibiskusblüten gemischt als Tee eine wahre Wohltat sein.
Es kann sich also lohnen, neben den süßen Früchten auch die Blätter zu ernten und diese frisch zu verwenden oder zu trocknen.
Ebenfalls sehr bekannt und beliebt ist die Echte Kamille. Kamille wirkt kühlend und ist bitter, hat aber auch scharfe Anteile, wodurch Kapha und Pitta balanciert werden können. Ihre therapeutischen Eigenschaften sind weitreichend bekannt und werden oft in Teeform oder als Pflanzenauszug eingenommen. Besonders bei Pitta-Überschuss, zum Beispiel bei Pitta-bedingten Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen oder Entzündungen wird auch in unserer Kultur häufig nach Kamillentee gegriffen. Kamille wirkt entblähend, beruhigend und schmerzlindernd. Ein Zuviel kann jedoch Vata erhöhen. Fügt man dem Kamillenaufguss ein wenig frischen Ingwer hinzu, erhält man ein ausgleichendes Getränk, was allen 3 Doshas zu Gute kommt.

Wie Sie bemerken, fügt sich aus ayurvedischer Sicht nicht nur der Mensch, sondern die gesamte Umwelt in ein übergeordnetes System, dem immer die 5 Elemente und damit die 3 Doshas zugrunde liegen.
Vielleicht gehen Sie nun mit ganz neuem Blick durch Ihren Garten und erkennen das ein oder andere beschriebene Merkmal bei Ihren Pflanzen wieder – viel Freude dabei!

Einen wunderbaren Frühlingsanfang wünscht Ihnen das Team der Maharishi Ayurveda Klinik Bad Ems.

 

 

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© Maharishi Ayurveda Privatklinik Bad Ems

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